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Interessengruppe

nichtstaatlicher Zusammenschluss, dessen (nicht unbedingt einziger) Zweck in der Verteidigung der Mitgliederinteressen im politischen Willensbildungsprozess besteht, der aber über die Verfahren der politischen Entscheidungsfindung nicht zur Verantwortung gezogen werden kann. Verbände, Gewerkschaften, Kirchen, nicht aber politische Parteien sind Beispiele für Interessengruppen. Die Entstehung und der Zusammenhalt von Interessengruppen sind an bestimmte Bedingungen gebunden; so wie diese Bedingungen von Fall zu Fall in unterschiedlichem Ausmass gegeben sind, lassen sich auch die entsprechenden Interessen mehr oder weniger nicht in Verbänden organisieren. So lassen sich Bedürfnisse um so schwieriger in Gruppen organisieren, je zahlreicher jene sind, die diese Bedürfnisse haben. Entsprechend entstehen und bestehen organisierte grosse Gruppen i.d.R. nur unter Rückgriff auf Leistungen, die - im Gegensatz zu der Verteidigung der Interessen aller Träger eines entsprechenden Bedürfnisses - nur den beitragzahlenden Mitgliedern zugute kommen. Man spricht hier von positiven selektiven Anreizen. Sind die selektiven Anreize negativ, so handelt es sich um Zwang: Den Mitgliedern bleibt als Gegenleistung für die Entrichtung eines Beitrages eine Wohlfahrtseinbusse erspart, die einem mehr oder weniger weit gezogenen Kreis von Nichtmitgliedern in Aussicht gestellt ist. Da dem Staat als dem einzigen legitimen Träger von Gewalt das Zwangsmonopol Vorbehalten ist, ist die Androhung bzw. die Anwendung von Zwang in Interessengruppen - nimmt sie bestimmte Formen an und geht sie über ein bestimmtes Mass hinaus - ein Zeichen krimineller Entartung; doch ist es nicht immer leicht, zwischen sozialem Druck und mafiosem Terror zu unterscheiden. dass der Staat das Gewaltmonopol hat, schliesst nicht aus, dass der Staat Interessengruppen mit der Wahrnehmung genau definierter Hoheitsaufgaben betrauen und ihnen genau begrenzte Teilhabe an seinem Gewaltmonopol verleihen kann. Neben positiven und selektiven Anreizen können insb. für die Entstehung von Gruppen und deren Bestand in Krisenzeiten die arationale Hingabe der einzelnen an eine charismatische Führerpersönlichkeit oder an ein überindividuelles Ideal von Bedeutung sein. Vor allem in Interessengruppen kann die Tradition für den Zusammenhalt des Kollektivs von Bedeutung sein. Die Aussenaktivitäten der Interessengruppen richten sich in der Hauptsache an die Exekutive (Regierung und Verwaltung), an die Legislative (Parlament) des Staates, an andere Interessengruppen, mit denen sie im Wettbewerb oder in einer Koalition stehen, sowie an die öffentliche und an die veröffentlichte Meinung. Je nach den konkreten Umständen und den Adressaten der Verbandsaktivität variiert die Vorgehens weise der Interessengruppe: Sie reicht von der Entsendung von Gruppenvertretern in das Parlament über die Versorgung der staatlichen Verwaltung mit Sachinforma- tionen bis hin zur Massenmobilisierung in Demonstrationen. Dem Selbstverständnis der Interessenverbände nach besteht das Ziel der Aussenaktivitäten des einzelnen Verbandes in der Verteidigung der Mitgliederinteressen, wie sie über den Prozess der gruppeninternen Willensbildung ihren Ausdruck gefunden haben. Die gruppeninternen Vorgänge der Entscheidungsfindung sind im Prinzip demokratischliberalen Leitvorstellungen verpflichtet, doch sind sie in der Realität nicht selten dem "ehernen Gesetz der Oligarchie" (Robert Michels) unterworfen, anfällig für die Verselbständigung des Verbandsmanagements, unterworfen der mehr oder weniger ungebremsten Eigendynamik der Organe des Verbandes. In dem Masse, wie im Einzelfall diese Degenerationserscheinungen vorliegen, agieren die Interessengruppen nach aussen als Kollektivaktoren, deren handlungsorientierendes Interesse am eigenen Weiterbestand nicht oder doch nur teilweise mit den handlungslegitimierenden Anliegen der Mitglieder deckungsgleich ist. Es gilt: Je weitreichender die gruppeninternen Mitsprache- und Widerspruchsmöglichkeiten der Mitglieder und je leichter und aussichtsreicher die Abwanderungsmöglichkeiten zu konkurrierenden Gruppen sind, desto fester ist die Bindung der Gruppenaktivitäten an die Mitgliederinteressen. Im politischen Prozess der Entscheidungsfindung tragen die Interessengruppen u.a. dazu bei, dass vorerst vage individuelle Bedürfnisse konkretisiert und damit artikulationsfähig werden; auch erhöht die Bündelung dieser Bedürfnisse in Gruppenzielen die Transparenz des politischen Diskurses. Interessengruppen sind gleichsam Kanäle, über die die Präferenzen der Gesellschaftsmitglieder, soweit sie organisiert sind, in den politischen Prozess einfliessen. Die Informations- und Entscheidungskosten der politischen Konsensfindung werden so z. T. aus den Institutionen des Staates in die Interessengruppen verlagert. Indem sie die Politik in ihrem Sinne zu beeinflussen suchen, entlasten die Interessengruppen den Staat; dies besonders dann, wenn zwischen einzelnen Interessengruppen aufkommende Konflikte ausserhalb der staatlichen Institutionen ausgetragen werden. Es ist allerdings zu beachten, dass die Interessengruppen, indem sie anderweitig nichtartikulierbare Bedürfnisse über die entsprechenden Informations- und Einflusskanäle in den staatlichen Willensbildungsprozess einspeisen, das Konfliktpotential innerhalb der staatlichen Organe erhöhen; was als Konfliktpotential latent in der Gesellschaft vorhanden ist, wird über die Interessengruppen in der politischen Arena virulent. Damit lässt sich auch sagen: Indem sie die Politik des Staates in ihrem Sinn zu beeinflussen suchen, belasten die Interessengruppen den Staat ( Verbandspluralismus). Die Interessengruppen erhöhen aber nicht nur die Transparenz der politischen Willensbildung, indem sie die Präferenzen der Gesellschaftsmitglieder in einer begrenzten, also überschaubaren Zahl von Gruppenforderungen bündeln; darüber hinaus dienen sie auch dazu, die schliesslich zustande gekommenen politischen Entscheidungen von den Gruppenmitgliedern auch dann akzeptieren zu lassen, wenn diese nicht (vollends) befriedigt sind; jedenfalls wird sich der Unmut der Mitglieder i.d.R. vorerst innerhalb der Gruppe entladen und so den Entscheidungsmechanismus des Staates vorerst nicht belasten. Allerdings: In dem Masse, wie die gruppeninterne Kapazität zur Konfliktverarbeitung überfordert wird, schlägt das Unbehagen in der Gruppe in ein Unbehagen an der Gruppe um und verlagert sich der Widerspruch in die Verfassungsorgane des Staates oder - etwa in Form von wilden Streiks - in den Raum der ungeregelten Konfrontation. Dem Gruppenmanagement, das an der Nahtstelle zwischen den gruppeninternen Ansprüchen und den gruppenexternen Widerständen angesiedelt ist, kommt eine zentrale Rolle zu: Einerseits soll es möglichst unver- zerrt die Bedürfnisse und Interessen der Mitglieder nach aussen vertreten, andererseits soll es möglichst wirklichkeitsgetreu den Mitgliedern die Grenzen zeigen, die das Mögliche vom Unmöglichen trennen.                  Literatur: Blümle, E. BJWittmann, W. (Hrsg.), Verbände, Stuttgart, New York 1976. Boettcher, E} Kooperation und Demokratie in der Wirtschaft, Tübingen 1974. Groser, M., Grundlagen der Tauschtheorie des Verbandes, Berlin 1979.

Der Einfluss von Interessengruppen (Pressure Groups) auf die wirtschaftspolitische Willensbildung erschwert die Umsetzung wissenschaftlicher Empfehlungen. Das gilt keinesfalls nur für Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften und Organisationen, sondern schließt auch das Eigeninteresse von Politikern als Träger der Wirtschaftspolitik ein. Rücksicht auf bestimmte Wählergruppen aus Sorge um die Wiederwahl führt häufig zu wirtschaftspolitischen Entscheidungen, die die unmittelbare Wirkung von Maßnahmen überbetonen und die mit zeitlicher Verzögerung (Time Lags) eintretenden Wirkungen vernachlässigen. Das Problem der unterschiedlichen Gruppeninteressen wurde lange vernachlässigt, indem man wirtschaftspolitische Entscheidungsprozesse ausschließlich unter dem Aspekt eines — wie auch immer definierten — Gesamtinteresses (Gemeinwohl, öffentliche Wohlfahrt) betrachtete. Interessengruppen versuchen, die politischen Entscheidungsträger davon zu überzeugen, dass — sollten ihre Empfehlungen umgesetzt werden — mit politischer Unterstützung bei Wahlen zu rechnen sei. Nicht selten zielen die Interessengruppen aber auch direkt auf ein Zusatzeinkommen ab, das sie durch die gewünschte politische Entscheidung erzielen würden (Rent Seeking).

In der Umweltwirtschaft:

Anspruchsgruppen

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