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Europäische Wirtschafts- und Währungsunion

(EWWU, EWU, WWU) seit Ende der 60er Jahre diskutierter und mit großen Wohlfahrtserwartungen (CECCHINI-Bericht) verbundener Endpunkt der wirtschaftlichen Integration in Europa. Mit dem am 7.2.1992 in Maastricht durch zwölf Außenminister (Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Portugal, Spanien) unterzeichneten und am 1.11.1993 in Kraft getretenen Vertrag über die - Europäische Union kam es erstmals zu einer eindeutigen politischen Fixierung und Teilverwirklichung dieses Zieles. Am 1.1.1995 wurde die Gemeinschaft auf 15 Mitgliedstaaten erweitert (Beitritt von Finnland, Österreich, Schweden). Wichtige Vorarbeiten wurden seit dem Ende der Übergangszeit zum Gemeinsamen Markt (31.12.1969), v.a. jedoch vom Ausschuss zur Prüfung der Wirtschaftsund Währungsunion geleistet. Dessen Ergebnis, der sog. DELORS-Bericht, lag im April 1989 vor. Er schlug einen zeitlich flexiblen Drei-Stufen-Plan zur Verwirklichung der WWU vor. Nur die erste Stufe sollte definitiv am 1.7.1990 beginnen, weil auf dieses Datum das Inkrafttreten der zwei Jahre zuvor (24.6.1988) verabschiedeten Richtlinie zur vollständigen Liberalisierung des Kapitalverkehrs festgelegt worden war. Der Europäische Rat folgte auf der Tagung vom 26./27.6.1989 in Madrid der Empfehlung und sah überdies vor, sofort nach Beginn der ersten Stufe auch eine Regierungskonferenz einzuberufen, um die für eine WWU notwendigen Änderungen und Ergänzungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) zu erarbeiten. Auf deutsches und französisches Drängen und gegen den Widerstand v.a. Großbritanniens sollten in diesem Stadium auch schon Vorstellungen für eine Politische Union entwickelt werden. Deshalb wurden am 14.12.1990 in Rom zwei parallel tagende Regierungskonferenzen — zur WWU und zur Politischen Union — eröffnet. Mitte 1991 war allerdings klar, dass sich die insbes. seitens der Deutschen Bundesbank (7.11.1991) dringlich geforderte Parallelität nicht im Vertrag umsetzen ließ. Da jedoch das Konzept für die Währungsunion weitestgehend deutschen Vorstellungen entsprach und im Zuge der deutschen Einigung bezüglich der Rolle der D-Mark Konzessionen an Frankreich und Großbritannien als Teilnehmer der Zweiplus-Vier-Verhandlungen zu machen gewesen waren, gab man sich auf der Tagung des Europäischen Rats am
9. bis 11.12.1991 in Maastricht mit den Ergebnissen der Regierungskonferenzen zufrieden, die hauptsächlich auf eine Verwirklichung der WWU gerichtet waren. Der Weg für die Vertragsunterzeichnung zwei Monate später war frei. Der Eintritt in die zweite Stufe wurde auf den 1.1.1994 terminiert. Er konnte, nachdem Deutschland zur Ratifikation erst ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (12.10.1993) abwarten mußte, und der Vertrag am 1.11.1993 gerade noch rechtzeitig in Kraft trat, wie geplant vollzogen werden. Es wurde eine Periode des Eingewöhnen auf die Koordination der Wirtschafts- und Währungspolitik, der rechtlichen und wirtschaftlichen Konvergenz und der institutionellen Vorbereitung. Eine tragende Rolle hatte in diesem Prozess das neu errichtete Europäische Währungsinstitut (EWI). Zwar blieben die nationalen geldpolitischen Kompetenzen noch völlig unangetastet. Materiell änderte sich also gegenüber der ersten Stufe wenig, in der konzeptionelle und koordinierende Aufgaben dem Ausschuss der EG-Notenbankgouverneure zugewiesen waren. Nichtsdestoweniger entwickelte das EWI nun alle Details für den Umbruch in der dritten Stufe. Da der Europäische Rat bis Ende 1997 den Zeitpunkt für den Beginn der dritten Stufe nicht festgelegt hatte, stand für dieses entscheidende Ereignis vertragsgemäss der 1.1.1999 fest (Art. 109 j Abs. 4). Nach höchstens dreieinhalb Jahren wird eine letzte Übergangsphase abgeschlossen sein: auf Beschluss des Europäischen Rats von Dezember 1995 werden nach einem maximal halbjährigen Parallelumlauf die auf nationale Währungseinheiten lautenden Münzen und Banknoten bis spätestens 30.6.2002 vollständig durch Euro und Cent ersetzt. Die Wirtschaftsunion war schon zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung ein Stück vorangekommen: Die Restliberalisierung des Kapitalverkehrs hatte den Eintritt in die erste Stufe begleitet; die entsprechende Richtlinie wurde bei Eintritt in die zweite Stufe lediglich in die Vorschriften der Art. 73 b ff. des revidierten Vertrags übersetzt. Der in seinem Anspruch viel weiter gehende - Europäische Binnenmarkt mit den vier Grundfreiheiten (freier Personen-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr) war durch die Einheitliche Europäischen Akte (in Kraft: 1.7.1987) fest auf den 1.1.1993 programmiert. Ergänzend sahen die Maastricht-Vereinbarungen, wie es der DELORS-Bericht vorgeschlagen hatte, insbes. Verfahren für eine Koordinierung der makroökonomischen Politik vor. Dementsprechend enthält der Vertrag die Aufforderung an die Mitgliedstaaten, ihre [Wirtschaftspolitik] als Angelegenheit von allgemeinem Interesse zu betrachten und im Rat nach Maßgabe der Gemeinschaftsziele zu koordinieren (Art 103 EGV). Eine explizite Verpflichtung betrifft die Budgetpolitik: übermäßige öffentliche Defizite sind zu vermeiden (Art. 104 c). Die Verpflichtung wurde 1997 durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt erhärtet. Eine Haftung der Gemeinschaft und einzelner Mitgliedstaaten für die Verbindlichkeiten öffentlicher Haushalte in EU-Staaten wurde vom Vertrag jedoch definitiv ausgeschlossen (Art. 104 b). Unbeschadet aller Fortschritte bleibt die im Vertrag gewählte Zusatzbezeichnung »Wirtschaftsunion« in Anbetracht der bei den Mitgliedstaaten verbliebenen grundlegenden Verantwortlichkeiten ein Euphemismus. Ganz anders die Europäische Währungsunion. Sie ist durch folgende tiefgreifende Einschnitte in die nationale Währungssouveränität der Teilnehmerstaaten gekennzeichnet: a) Sie stelle sich als Raum mit einer eigenständigen, einheitlichen Währung, nicht nur als Wechselkursgemeinschaft, dar. Der Vertrag hatte als Währungsname Ecu vorgesehen (Art. 109 1 Abs. 4). Der Europäische Rat verstand die Bezeichnung auf seiner Tagung vom 15.16.12.1995 in Madrid als Gattungsbegriff und taufte die Währungseinheit Euro. b) Die ehemaligen nationalen Währungseinheiten (nicht Währungen!) bestehen für die Zeit vom 1.1.1999 bis 30.6.2002 als Untereinheiten des Euro fort. Am 2.5.1998 wurde darum zwischen Rat, Zentralbanken der teilnehmenden Mitgliedstaaten, Kommission und Europäischen Währungsinstitut vereinbart, die damaligen bilateralen Leitkurse im Wechselkursmechanismus (WKM) des Europäischen Währungssystems (EWS) schon acht Monate im voraus zu fixieren und dieselben (von den Zentralbanken verteidigten) Kurse später zur Bestimmung der unwiderruflich festen Umrechnungskurse für den Euro zu verwenden. Dementsprechend legte der Rat am 31.12.1998 in einer Verordnung, die am 1.1.1999 in Kraft trat, auch die Euro-Umrechnungskurse fest. Der Außenwert durfte sich beim Übergang von ECU zu Euro nicht ändern. c) Die geldpolitischen Kompetenzen wurden auf das Europäische System der Zentralbanken (ESZB), bestehend aus der Europäischen Zentralbank (EZB) und den Nationalen Zentralbanken (NZBen), übertragen. Wie andere föderativ strukturierte Zentralbankensysteme (Deutsche Bundesbank, amerikanisches Federal Reserve System) sind EZB und NZBen politisch unabhängig, d.h. dem Weisungsrecht der übrigen Exekutivorgane entzogen. Die geldpolitischen Entscheidungen werden vom EZB-Rat getroffen, der sich aus den Präsidenten der NZBen und sechs Mitgliedern des Direktoriums der EZB zusammensetzt. Die wirtschaftliche Unabhängigkeit des ESZB wird v.a. dadurch gesichert, dass Notenbankkredite an öffentliche Haushalte und öffentliche Unternehmen in der Gemeinschaft verboten sind. Das ESZB ist in seiner Politik vorrangig dem Ziel der Preisstabilität verpflichtet; andere makroökonomische Ziele dürfen nur dann verfolgt werden, wenn sie sich mit dieser Hauptaufgabe des ESZB vereinbaren lassen. d) Förmliche Vereinbarungen über ein Wechselkurssystem für den Euro sowie allgemeine Orientierungen für die Wechselkurspolitik gegenüber Drittwährungen blieben allerdings in der Kompetenz des Rats. Die Regelung stellt in gewissem Mass eine Anfechtung der vollen geldpolitischen Autonomie des ESZB dar. Aus dem Kreis der 15 EU-Staaten wurden vom Europäischen Rat auf der Sondertagung vom
1. bis 3.5.1998 nach dem Verfahren des Art. 109 j EGV elf Staaten (Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien) benannt, welche die Voraussetzungen für die Einführung einer einheitlichen Währung erfüllten, und es wurde entschieden, dass es für die Gemeinschaft zweckmäßig sei, in die dritte Stufe einzutreten. Bei der äußerst komplexen Prüfungsprozedur wurde in Betracht gezogen, inwieweit die Mitgliedstaaten bei der Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion ihren (Koordination-) Verpflichtungen nachgekommen waren, rechtliche Konvergenz (in bezug auf Zentralbankunabhängigkeit) herbeigeführt und einen hohen Grad an dauerhafter wirtschaftlicher Konvergenz erreicht hatten. Maßstab hierfür waren insbes. vier Kriterien: a) Erreichung eines hohen Grades an Preisstabilität, ersichtlich aus einer Inflationsrate, die der Inflationsrate jener — höchstens drei — Mitgliedstaaten (auf mindestens 1,5 Prozentpunkte) nahekam, die auf dem Gebiet der - Geldwertstabilität das beste Ergebnis erzielt haben. b) Eine auf Dauer tragbare Finanzlage der öffentlichen Hand, ersichtlich aus einer öffentlichen Haushaltslage ohne übermäßiges Defizif (jährliche Neuverschuldung von höchstens 3% des Bruttoinlandsprodukts zu Marktpreisen; Schuldenstand von höchstens 60% des BIP). c) Einhaltung der normalen Bandbreiten des WKM des EWS seit mindestens zwei Jahren ohne Abwertung gegenüber der Währung eines anderen Mitgliedstaates. d) Dauerhaftigkeit der von dem Mitgliedstaat erreichten Kovergenz und seiner Teilnahme am WKM des EWS, die im Niveau der langfristigen Zinssätze zum Ausdruck kommt: Es sollte nicht mehr als zwei Prozentpunkte über dem Niveau jener drei Mitgliedsländer liegen, die auf dem Gebiet der Preisstabilität das beste Ergebnis erzielt haben. Nach Kenntnisnahme von den Konvergenzberichten der Kommission und des EWI (und der für die Meinungsbildung von Parlament und Regierung in Deutschland maßgeblichen Bundesbank) sowie auf Basis der Empfehlungen des ECOFIN-Rats beschloss der Rat der Staats- und Regierungschefs am 2.5.1998 in Brüssel, dass Griechenland (mangels Erfüllung irgendeines Konvergenzkriteriums) und Schweden (mangels Teilnahme am WKM) nicht die notwendigen Voraussetzungen für die Einführung des Euro besaßen. Dänemark und das Vereinigte Königreich hatten dem Rat notifiziert, dass sie nicht beabsichtigten, zur dritten Stufe überzugehen. Der Rat gewährte den vier EU-Staaten eine Ausnahmeregelung. Sie verharren weitgehend im Kanon der Rechte und Pflichten der zweiten Stufe: Insbes. sind Wirtschaft- und Währungspolitik als Angelegenheit von gemeinsamem Interesse zu betrachten. Verwehrt ist es ihnen naturgemäss auf Entscheidungsebene die Geldpolitik der bei Stufe 3 angelangten Gemeinschaft mitzugestalten; nichtsdestoweniger bilden ihre nationalen Zentralbanken integrale Bestandteile des ESZB. Gleichfalls verwehrt ist die Einflußnahme auf das Wechselkursregime des Euro. Sie können statt dessen auf freiwilliger Basis im Rahmen des Europäischen Wechselkursmechanismus II mit dem Euro-Währungsgebiet verbunden werden. Im ECOFIN-Rat gestalten sie hingegen vollberechtigt die Grundzüge der Wirtschaftspolitik der EU mit. Literatur: Bofinger, P. u.a. (1993). Deutsche Bundesbank (ab Sept. 1996). Galahn, G. (1996). Köhler, C. (1999)

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