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Agrarverfassung

umfasst alles, was für die rechtliche und gesellschaftliche Stellung der Bauern massgebend ist. Sie war im Mittelalter durch die Grundherrschaft gekennzeichnet, die im Zuge der Aufklärung beginnend in Österreich (1781), allmählich beseitigt wurde (Bauernbefreiung). Während die Landwirtschaft nunmehr allgemeinem Recht untersteht, haben sich im Erbrecht historisch gewachsene Besonderheiten gehalten (Anerbenrecht, Höferecht).

rechtliche, organisatorische oder durch Sitte und Gewohnheit begründete Ordnung, nach der sich die Landwirtschaft und landwirtschaftlichen Lebensverhältnisse richten. Die Agrarverfassung entspricht, soweit es den Agrarbereich betreffender Sonderregelungen nicht bedarf, der allgemein geltenden Wirtschaftsverfassung. Wesentliche Bereiche der Agrarverfassung sind Rechtsordnung des Bodenbesitzes, Erbrecht und -sitte, Arbeitsverfassung, Agrarkredit, berufsständische Institutionen, Ausbildung, Schulung und Beratung, landwirtschaftlicher Warenverkehr, soziale Sicherung, Steuern und Abgaben. Je nach Ausgestaltung der einzelnen Bereiche kann man die Agrarverfassung einzelner Länder einem freiheitlichen oder gebundenen Idealtyp der Agrarverfassung zuordnen. Die mittelalterliche Agrarverfassung Europas und die Agrarverfassung der sozialistischen Länder und vieler - Entwicklungsländer sind gekennzeichnet durch straffe Regelungen, die die individuelle Entscheidungs- und Bewegungsfreiheit der Landbewirtschafter relativ stark einschränken. Die Agrarverfassung der nichtsozialistischen Industrieländer geben den Landbewirtschaftem grundsätzlich mehr Spielraum. Besondere Bedeutung gewinnt die Agrarverfassung dadurch, dass sie das rechtliche Verhältnis des Landwirts zum - Boden regelt. Die Ausgestaltung des Bodenbesitzrechtes hat einen besonders starken Einfluss auf die wirtschaftliche und soziale Stellung des Landbewirtschafters. Der Bauer verdankt den hohen Grad seiner sozialen Sicherheit und wirtschaftlichen Unabhängigkeit einer Agrarverfassung, die seinen besonderen Status als Grundeigentümer anerkennt und schützt, freilich die Bindung der Agrarstruktur an die überlieferte Bodeneigentumsstruktur begünstigt und dadurch den Strukturwandel hemmt. Aus diesem Grunde setzen agrarreformerische Maßnahmen bevorzugt am Bodeneigentumsrecht an mit dem Ziel, die - Agrarstruktur grundlegend zu verändern. Die Einflugnahme auf die Agrarverfassung gehört zu den wichtigsten Aufgaben der — Agrarpolitik. Die Verwirklichung agrarpolitischer Ziele setzt vielfach eine Änderung der bestehenden Agrarverfassung voraus. So fordert die Durchsetzung agrarpreispolitischer Maßnahmen eine gesetzliche Beschränkung oder Ausschaltung der freien Preisbildung auf dem Markt und die Schaffung gesetzlicher Grundlagen für die staatliche Preisfestsetzung. Oft zwingt aber auch die Realisierung allgemein gesellschaftspolitischer Ziele zu Eingriffen in die Agrarverfassung. Dies ist z.B. der Fall, wenn für die Bodenbeschaffung in Sanierungsgebieten eine besondere Bodenpreisfestsetzung für bislang landwirtschaftlich genutzte Flächen gesetzlich verfügt wird. In parlamentarischen Demokratien und in ständisch gegliederten Gesellschaften sind Agrarverfassungsänderungen i.d.R. nur schwer durchzusetzen. Grundlegende Änderungen der Agrarverfassung (Agrarreformen) lassen sich deshalb nur in politischen Ausnahmesituationen durchsetzen (z.B. Bauernbefreiung 1807, Bodenreform 1946, Reprivatisierung im Gebiet der ehemaligen DDR und der ehemals sozialistischen Länder). In Diktaturen können Änderungen der Agrarverfassung ohne Rücksicht auf die Betroffenen leichter durchgesetzt werden (z.B. Reichserbhofgesetz 1934, Zwangskollektivierung in der DDR 1952-60). Die weitverbreitete Auffassung, dass die Agrarverfassungspolitik heute nur für weniger entwickelte Agrargesellschaften Bedeutung habe, wurde inzwischen durch die Einleitung umfassender Agrarreformen in den ehemals sozialistischen Ländern korrigiert. Literatur: Lipinsky, E.E. (1987)

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