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Public Choice

theoretisches Konzept zur Erfassung politischer und bürokratischer Entscheidungsprozesse mit Hilfe des mikroökonomischen Instrumentariums. Methodisches Anliegen der Public-Choice-Schule ist es somit, das Geschehen in verschiedenen Gesellschaftsbereichen auf der Grundlage einer einheitlichen Axiomatik zu durchleuchten, um auf diese Weise eine rationale Basis für die Wahl gesellschaftlicher Institutionen zu erhalten; Public Choice ist insofern —Neue Institutionenökonomik. Die Public-Choice-Schule ist als Reaktion auf bestimmte Entwicklungen der Wohlfahrtsökonomik zu verstehen. Diese hatte sich ihrerseits in Auseinandersetzung mit der liberalen Doktrin etabliert, die sich primär als eine Ökonomik des Marktes verstand. Die Wohlfahrtsökonomik arbeitete bestimmte Unvollkommenheiten der Marktkoordination heraus, die auch als Marktversagen bezeichnet werden. Es lag nahe, diesem Marktversagen durch staatliche Aktivität abzuhelfen, eine Vorstellung, die im Zeitalter der "keynesianischen Revolution" mit der neuen Betonung der Rolle des Staats auf fruchtbaren Boden fiel. Die Vertreter der Public-Choice-Schule kritisieren nun aber die mit der neuen Wirtschaftspolitik verbundene Vorstellung, die staatlichen Instanzen erfüllten ohne weiteres die von der Wohlfahrtsökonomik aufgestellten idealen Normen, d. h. der Staat trete durchweg als Vertreter des öffentlichen Interesses bzw. des Gemeinwohls auf. Sie versuchen vielmehr, den normativen Ansatz der Wohlfahrtsökonomik durch eine positive, d. h. erfahrungswissenschaftliche, Analyse der tatsächlichen Staatstätigkeit zu ergänzen, wobei sie auf die ökonomische Theorie zurückgreifen. Zentral ist die Annahme, dass die Handlungen auch der Akteure in politischen Institutionen mit Hilfe der Figur des —homo oeconomicus erklärt werden können, d. h. man geht davon aus, dass die Handlungsträger in jeder Institution auch Eigeninteressen verfolgen, also Politiker im Wählerstimmen-markt (und damit bei ihren Aktivitäten in Parlament und Regierung) und Beamte in staatlichen —Bürokratien. Zusätzlich werden die Interaktionen von Politikern und Beamten mit Interessenvertretern in die Analyse einbezogen. Zentral ist weiter die explizite Berücksichtigung von Informations- und —Transaktionskosten: Wie die Akteure im Marktsystem sind auch die Handlungsträger in politischen bzw. bürokratischen Institutionen keineswegs perfekt informiert, mit der Folge, dass allein deshalb die von der Wohlfahrtsökonomik aufgestellten Idealnormen nicht als durchweg erfüllbar angesehen werden können. Ausserdem sind die Informationen im politischen Bereich nicht weniger ungleich verteilt als im Marktsystem. Schliesslich fallen noch Transaktionskosten an (z. B. bei der Organisation von grossen Gruppen), so dass auch hier eine Analogie zum Markt besteht. Neben den Gemeinsamkeiten (Eigeninteresse, Informations- und Transaktionskosten) werden die Unterschiede zwischen den sozialen Institutionen Markt, Politik und Bürokratie keineswegs übersehen, im Gegenteil werden sie gerade herangezogen, um zu zeigen, dass die gänzlich anders gearteten Sanktionstypen in politischen und bürokratischen Systemen zu spezifischen Fehlentwicklungen führen können. So ist z. B. die staatliche Bürokratie i. d. R. keiner Konkurrenz ausgesetzt, was nicht nur zur Verschwendung von Ressourcen führt, sondern mangels Vergleichsmöglichkeiten auch die parlamentarische Kontrolle erschwert, da letztere auf die Informationen der Bürokratie angewiesen bleibt. Weiterhin fördern die Organisationsprinzipien von Behörden in der Tendenz eine permanente Ausweitung der Budgets, was zum Überangebot von —Kollektivgütern und somit letztlich zu einer ständigen Expansion der Staatstätigkeit führen kann. Dieses Beispiel zeigt, dass die Public-ChoiceSchule Staatsversagen auf eine ähnliche Weise thematisiert wie die Wohlfahrtsökonomik das Marktversagen. Dabei wird Staatsversagen keineswegs nur aus den Funktionsbedingungen der staatlichen Bürokratien heraus erklärt, sondern auch auf die Wirkungsweise des Wählerstimmenmarktes zurückgeführt; denn es muss einsichtig gemacht werden, warum der Wähler die skizzierte Fehlentwicklung letztlich akzeptiert. Hier werden die Existenz erheblicher Informations- und Transaktionskosten und das spezifische Zusammenwirken von gesellschaftlichen Interessengruppen (Rent seeking), Politikern und Bürokratien und die Eigenschaften bestimmter Abstimmungsregeln als Ursachen identifiziert. Insbesondere die Analyse gesellschaftlicher Abstimmungsverfahren wird damit zu einem der zentralen Gegenstände des Public-Choice-Ansatzes. Der Entwurf einer Theorie des Staatsversagens durch die Public-Choice-Schule bedeutet nicht, dass deren Vertreter grundsätzlich staatsfeindlich eingestellt wären. Im Grunde geht es ihnen um die Popularisierung der Vorstellung, dass es keine vollkommenen Institutionen gibt, dass es also immer nur um das Abwägen der Vor- und Nachteile von unvollkommenen Institutionen gehen kann. Gewählt werden sollte nach dieser Vorstellung immer diejenige Institution (Markt oder Bürokratie), die zum grössten Überschuss des sozialen Nutzens über die sozialen Kosten führt, womit durchaus an die Intentionen der Wohlfahrtsökonomik angeknüpft wird. Da die Institutionen unvollkommen sind, lohnt es sich ausserdem, über deren Verbesserung nachzudenken. So bemüht sich die Public-Choice-Schule um Vorschläge zur Verbesserung der Organisationsprinzipien von Bürokratien, aber sie reflektiert auch. über Abstimmungsmechanismen in gesellschaftlichen Systemen bis hin zur Verfassungsreform, wobei die Entscheidungsfreiheit des Individuums einen hohen Stellenwert einnimmt (Ökonomische Theorie der Verfassung).                                                    Literatur: Frey, B. S., Theorie demokratischer Wirtschaftspolitik, München 1981.

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