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Händlermarke

(Retail Brand)
1. Charakterisierung Als Händlermarke (Retail Brand) ist der Name eines Handelsunternehmens (als Ganzes) zu bezeich­nen, wenn dieser für den Konsumenten eine grössere Bedeutung bei der Kaufentscheidung besitzt als der Name bzw. die   Marke der bei diesem Händler angebotenen Artikel. Insbesondere in der Han­delspraxis verwendet man den Begriff auch für das Handelsunternehmen als solches. Abgrenzung: Im Gegensatz zur Händlermarke umfasst der Begriff „Handelsmarke” bzw. „Eigenmarke” die (Eigen-)Marken des Handels, die sich auf bestimmte Produkte bzw. Produktgruppen innerhalb des Sortiments eines Handelsunternehmens beziehen, z.B. als Einzelangebotsmarken, Warengruppenmar­ken, Teilsortimentsmarken oder umfassende Sortimentsmarken. Handelsmarken werden auch als Private Labels bezeichnet. Kurz gesagt lässt sich formulieren: Ein Händler hat Handelsmarken, ist aber zugleich selbst Händlermarke. Einzelheiten siehe Handelsmarke. Gelegentlich wird insbesondere in der wissenschaftlichen Literatur bereits jeder als  Marke eingetra­gene Name eines Handelsunternehmens als Händlermarke bezeichnet. Man unterscheidet dann nur zwischen starken und schwachen Händlermarken. Eine solche weite Begriffsfassung erscheint jedoch aus verschiedenen Gründen nicht sinnvoll. Zum einen entspricht sie nicht der Sprachregelung der Han­delspraxis, in der der Status der Händlermarke immer als idealer Zielzustand betrachtet wird. Zum zweiten widerspricht sie dem Grundgedanken der Marke, demzufolge eine Marke sich dadurch aus­zeichnet, dass sie aufgrund der mit ihr verbundenen Vorstellungen den Konsumenten an das markierte Produkt bindet. Vor diesem Hintergrund wäre es wenig sinnvoll, dem Namen eines Handelsunterneh­mens Markenstatus einzuräumen, der keine Bindung auf den Konsumenten ausübt.
2. Vorkommen Echte Händlermarken sind rar. In Deutschland darf als erste und auch heute noch wichtigste Händler­marke Aldi gelten. Weitere Beispiele stellen der Bekleidungsfilialist H&M, das Möbelhaus IKEA oder der Postenvermarkter Tchibo dar. Allen diesen Unternehmen ist gemein, dass der Konsument sie als die Garanten der Qualität der dort verkauften Produkte sieht und dies mit einer hohen Kundenloyalität honoriert. Wichtigstes Zeichen der Kundenloyalität ist die Bedarfsabdeckung, die der Händler beim Kunden erreicht. Die Kundenloyalität schlägt sich aber auch in der Bereitschaft nieder, einen gewissen Kaufaufwand zu leisten. Unter dem Kaufaufwand ist in erster Linie der Zeit- und Geldaufwand zu ver­stehen, der zum Erreichen der Verkaufsstelle nötig ist. Im Falle von Aldi manifestiert sich dies u.a. in einem Einzugsgebiet pro Verkaufsstelle, das ca. 50% grösser ist als beim Wettbewerb. Aber auch die Bereitschaft, wie im Falle von H&M einen schlechteren Service oder eine unübersichtliche Verkaufs­stelle zu akzeptieren, kann als Ergebnis einer gesteigerten Kundenloyalität betrachtet werden.
3. Preis- und Sortimentspolitik Theoretisch kann der Händler die Kundenloyalität nutzen, um höhere Preise zu verlangen. In der Praxis geschieht dies jedoch kaum, da wirkliche Händlermarken sich i. A. als Discounter positionieren. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass der Status einer Händlermarke dem Handelsunternehmen grosse Kostenvorteile verschafft, die eine Strategie der Preisführerschaft nahe liegend machen. Die Kostenvor­teile resultieren vor allem aus dem Umstand, dass eine Händlermarke keine Markenartikel mehr benö­tigt, da die Händlermarke selbst dem Kunden das nötige Vertrauen vermittelt. Damit entfallen für die Händlermarke die erheblichen Marketingaufwendungen der Markenartikelhersteller, die zwischen 25 und 50% der Endverkaufspreises ausmachen können. An ihre Stelle tritt der erheblich geringere Auf­wand der Händlermarke für die Bewerbung des eigenen Namens. Auch bietet der Rückzug vom Mar­kenartikel die Chance zu einer deutlichen Sortimentsreduktion, denn pro Produkt, z.B. Vollwaschmit­tel, bietet der Händler jetzt nur eine sog.  Handelsmarke bzw. Eigenmarke wie z.B. Aldi die Handels-/ Eigenmarke „Tandil” statt mehrerer gleichwertiger Markenartikel, z.B. Persil, Dash, Ariel etc.. Das re­duzierte Sortiment wiederum ermöglicht erheblich vereinfachte Abläufe im Bereich der Verwaltung sowie der filialexternen und -internen Logistik.
4. Etablierung einer Händlermarke Angesichts der grossen Vorteile, die der Status einer Händlermarke dem Handelsunternehmen bietet, verwundert es nicht, dass das Erreichen eines solchen Status schon seit etwa der Jahrtausendwende zum erklärten Ziel aller grösseren Handelsunternehmen geworden ist. Dennoch hat sich bislang keine neue wirkliche Händlermarke in Deutschland etablieren können. Der Grund hierfür liegt darin, dass wie beim klassischen Markenartikel der Aufbau des Namens eines Handelsunternehmens zur Marke viel Zeit sowie eine geeignete und langfristig kohärent gehaltene USP (Unique Selling Proposition) ver­langt. In begrenztem Umfang kann man zwar Zeit durch Geld ersetzen, doch die Grenzen einer solchen Substitution sind eng gesteckt. Eine grosse Hürde bildet auch der Entwurf eines geeigneten Marketing­konzepts sowie vor allem dessen langfristige Einhaltung. Bestes Beispiel dafür, wie leicht das Bestre­ben nach immer neuen Ideen für gute Werbekampagnen den Aufbau einer USP verhindert, bietet Obi. Nach u.a. „bibergünstig” (USP: beste Preise) und „ ... oder bei Obi” (USP: beste Auswahl) wirbt Obi jetzt mit „ Je Obi, desto Mehr. Obi genial” (USP: ?). Dabei ist zumindest einer der Spots der letzten Kampagne sogar preisgekrönt. Aber die Prämierung betrachtet nur den einzelnen Spot und ignoriert die langfristige Kohärenz der Botschaft. Werbespots für Persil oder H&M gewinnen zwar keine Preise, aber transportieren langfristig kohärente Botschaften, die sich im Bewusstsein des Konsumenten fest­setzen.
5. Markenartikel versus Händlermarkenkonzept Eine noch unerforschte Problematik besteht in der Rolle des Markenartikels in einem Händlermarken­konzept. Auf einer theoretischen Ebene scheinen die Listung von Markenartikeln und die Rolle als Händlermarke unvereinbar, denn die Treue des Konsumenten kann sich entweder auf die Marke eines Produkts oder die Marke der Verkaufsstelle konzentrieren, nicht auf beides gleichzeitig, d.h. entweder der Konsument möchte Nutella oder die Nusscreme von Aldi. Diese theoretischen Überlegungen finden ihre Bestätigung in der Empirie. Alle vier als beispielhaft erwähnten Händlermarken führen mehr oder weniger ausschliesslich Handelsmarkenartikel. Allerdings gibt es im deutschen Handel zwei Unterneh­men, die ebenfalls über eine sehr hohe Kundenloyalität verfügen und damit eigentlich auch Händler­markenstatus in Anspruch nehmen können: dm und Mediamarkt/Saturn. dm verfügt zwar über eine starke Handelsmarke, arbeitet aber ansonsten fast ausschliesslich Markenartikel. Mediamarlct/Saturn verwendet Handelsmarken praktisch überhaupt nicht. Bemerkenswerterweise haben sich aber auch diese Handelsunternehmen als Preisführer in ihrem jeweiligen Markt positioniert.
6. Marktanpassung Es liegt in der Natur der Sache, dass der Status einer Händlermarke in jedem Markt, in den das Han­delsunternehmen vordringt, neu aufgebaut werden muss. Das erklärt, warum der Erfolg von Händler­marken bei der Auslandsexpansion so begrenzt ist. Von den eingangs genannten vier Händlermarken Aldi, Tchibo, IKEA und H&M sind nur IKEA und H&M international wirklich erfolgreich. Es fällt da­bei auf, dass beide Unternehmen nicht deutschen Ursprungs sind und ausser in ihrem Heimatmarkt — in beiden Fällen Schweden — und Deutschland auch in vielen anderen europäischen und aussereuropäi­schen Märkten eine marktbedeutende oder sogar marktführende Rolle spielen. Aldi und Tchibo sind zwar ebenfalls in unterschiedlichen europäischen und aussereuropäischen Ländern präsent, doch in kei­nem auch nur annähernd so erfolgreich wie in ihrem Heimatmarkt Deutschland. Es gibt also offensicht­lich kein Standardrezept für die Entwicklung zur Händlermarke. Vielmehr muss das entsprechende Konzept für jeden Markt massgeschneidert werden. Hinweis Zu den angrenzenden Wissensgebieten siehe  Categorie ManagementCustomer Relationship Management (CRM),   Efficient Consumer Response,   Handelsbetriebslehre, Grundlagen,  Han­delsforschung,   Handelsmarke (Eigenmarke),   Handelsmarketing,  Kommunikationspolitik,   Konsumentenverhalten,  Kundenzufriedenheit,   Marke,  MarkenartenMarkenbewertung,  Markenführung,   Markennamen,  Markenrecht,   Marketing, Grundlagen,   Marketing, In­ternationales,   Marktforschung,  PreispolitikProduktpolitik,   Vertriebspolitik,  Vertriebs­wege, neuere,   Werbung.

Literatur: DEMBECK, Sandra: Retail Branding. Eine Analyse unter besonderer Berücksichtigung des Bekleidungs- und Lebensmitteleinzelhandels in Deutschland, Grossbritannien und Frankreich, Aachen 2004; JARY, Michael; SCHNEIDER, Dirk, WILEMAN, Andrew: Marken-Power. Warum Aldi, Ikea, H & M und Co. so erfolgreich sind; Wiesbaden 2000; MORSCHETT, Dirk: Retail Branding und Integ­riertes Handelsmarketing, Saarbrücken 2002; ROEB, Thomas: Markenwert — Begriff, Berechnung, Be­stimmungsfaktoren, Diss., Aachen 1994; ROEB, Thomas: Von der Handelsmarke zur Händlermarke —Die Storebrands als Markenstrategie für den Einzelhandel, in: BRUHN, Manfred (Hrsg.): Handelsmarken — Entwicklungstendenzen und Zukunftsperspektiven der Handelsmarkenpolitik, 2. Aufl., Stuttgart 1997, S. 345 — 366; ROEB, Thomas: Wenn der Händler zur Marke wird, in: Lebensmittelzeitung (D) 17, 25.4.1997, S. 81 — 83; ROEB, Thomas: Von der Handelsmarke zur Händlermarke — Die Re­tailbrands als Markenstrategie für den Einzelhandel, in: BRUHN, Manfred (Hrsg.): Handelsmarken —Entwicklungstendenzen und Perspektiven der Handelsmarkenpolitik, 3. Aufl., Stuttgart 2001, S. 291 —31; RUDOLPH, Thomas; SCHWEIZER, Markus: Corporate Branding. Die Händlermarke als Ver­kaufsargument, Zürich 2003; SPANDL, Torsten, Horizontale Betriebstypendiversifikation — Möglich­keiten und Erfolgschancen der horizontalen Integration alternativer Betriebstypen in bestehenden Ver­triebssystemen und die Auswirkungen auf die Händlermarke, Wien 2003; ZENTES, Joachim; JANZ, Markus; MORSCHETT, Dirk: HandelsMonitor 2001 — Der Handel als Marke, Frankfurt a. M. 2000.

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