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Bodenreform

seit dem ausgehenden 19. Jh. Inbegriff über­wiegend sozialistischer
Reformbestrebun­gen, das Bodeneigentum abzuschaffen (Agrar­sozialismus), auf
ein Nutzungsrecht zu beschränken oder die Verwendung zu kon­trollieren bzw.
Grundrentengewinne abzu­schöpfen ("Bund deutscher Bodenrefor­mer").


Nach 1945 bezeichnete Bodenreform die völlige Enteignung
landwirtschaftlichen Großbesitzes in der sowjetischen Besatzungs­zone, die aber
letztlich statt in eine Bodenre­form im Sinne einer Neu- oder Umverteilung in
die nachfolgende Zwangskollektivierung der 1960er Jahre führte. In den
westlichen Be­satzungszonen ergingen unterschiedliche Ge­setze, die eine
Enteignung von Großbetrieben gegen Entschädigung vorsahen, um besonders aus
sozialen Motiven (Wiederansiedlung von Flüchtlingen) Siedlungsland zu gewinnen.
Die Ergebnisse blieben unbefriedigend (rd. 5% der landwirtschaftlichen
Nutzfläche, rd. 50000 Siedlerstellen); der Trend zum (mecha­nisierten)
Großbetrieb ließ eine weitere Auf­siedlung nicht zu.          




Gesamtheit verschiedenartiger Bestrebungen und hoheitlicher Eingriffe, die auf eine grundlegende Änderung der Bodeneigentumsverhältnisse und der bestehenden Bodenrechtsordnung gerichtet sind. Die auf den landwirtschaftlich genutzten Boden abzielenden Reformbestrebungen werden Agrarreform, die auf die Siedlungsgebiete abgestellten Reformbestrebungen gemeindliche oder städtische Bodenreform genannt. a) Die Agrarreform beinhaltet allgemein den gesamten Maßnahmenkomplex der Agrarpolitik und des Agrarrechts mit dem Ziel der Förderung des Wohlstandes der im primären Sektor beschäftigten Bevölkerung und der Erzeugungssteigerung der - Agrarwirtschaft. Sie ist in diesem Zusammenhang auf bodenbedingte Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur gerichtet, wobei agrarreformerische Maßnahmen zum Scheitern verurteilt sind, wenn sie nicht von anderen wirtschaftsund sozialpolitischen, die gesamte sozioökonomische Struktur betreffenden Verbesserungen flankiert werden. Im Vordergrund steht die Gewährleistung der Kontinuität der Rechte des Landwirts gegenüber dem von ihm zu bewirtschaftenden Boden, insbes. die Sicherstellung des Bodenerwerbs zu Eigentum. Daneben richten sich die agrarreformerischen Bestrebungen auf die Schaffung leistungsfähiger Betriebsgrößen (Grüner Plan, - MANSHOLT-Plan), einerseits durch Aufteilung übergroßer Besitzeinheiten, andererseits durch Zusammenlegen zersplitterter Besitzeinheiten und Aufstockung zu selbständigen Ackemahrungen. b) Im Gegensatz zur Agrarreform richtet sich die gemeindliche Bodenreform auf die Siedlungsflächen der Gebietskörperschaften, wobei die Verbesserung der herrschenden Verhältnisse durch eine grundsätzliche Änderung des Bodenrechts, v.a. durch eine klare Abhebung des Bodeneigentums vom Eigentum an beweglichen und beliebig vermehrbaren Sachen herbeigeführt werden soll. Anstelle eines individualistisch gestalteten Eigentumsrechts (Eigentum) wird ein Bodeneigentumsrecht gefordert, dessen Wesensgehalt bereits die ihm eigentümliche Sozialgebundenheit einschließt (Oswald von NELLBREUNING), wobei es in erster Linie um die Wahrung der rechtlichen Interessen des einzelnen unter gleichzeitiger Abwägung und Berücksichtigung der für das Gemeinwohl unabdingbaren, auf den Boden gerichteten Ansprüche geht. Das bodenreformerische Gedankengut ist nicht zu trennen von der Lehrmeinung des Grundrententheoretikers David RICARDO, welcher in der - Grundrente lediglich den Differentialgewinn, d.h. einen Überschuss über die Kosten der (landwirtschaftlichen) Produktion erblickte, der darauf beruht, dass die Produktionskosten von der Bodenqualität abhängen, während die Preise der homogenen Produkte gleich sind. Ansatzpunkt der Kritik seitens der Bodenreformer ist die Schlußfolgerung, dass Grundrente ein Residualeinkomnen darstellt, welches weder auf geleistete Arbeit noch auf die Überlassung von Kapital zurückzuführen ist. Vor dem historischen Hintergrund des 19. Jh. und seinen sozialen Konflikten forderte der Amerikaner Henry GEORGE die konfiskatorische Besteuerung der Grundrente durch den Staat, wobei er mit dieser Grundsteuer als einzige staatliche Steuereinnahmequelle die soziale Frage seiner Zeit zu lösen glaubte. Franz OPPENHEIMER setzte sich ebenfalls, von RICARDO beeinflußt, für die Abschaffung des privaten Bodenbesitzes ein, um die freie Siedlungstätigkeit des einzelnen zu gewährleisten und so das private Bodenmonopol (Bodensperre) zu überwinden. In Anlehnung an GEORGE glaubte Adolf DAMASCHKE (Vorsitzender des Bundes deutscher Bodenreformer), das Bodenproblem durch eine Propagierung des Erbbaurechts sowie durch die Einführung einer die Zuwachsrente beseitigenden Wertzuwachssteuer zu lösen. Nach dem zweiten Weltkrieg stand der BERNOULLI-Plan im Mittelpunkt der Diskussion, demzufolge die Gemeinde als alleinige Eigentümerin von Grund und Boden befristete Nutzungsrechte (Erbbaurecht) an einzelne Personen vergeben sollte. Als gesetzgeberische Maßnahmen in der BRD sind das Bundesbaugesetz (BBauG in der Fassung von 1976) bzw. das darin enthaltene, der Bodenvorratswirtschaft dienende gemeindliche Vorkaufsrecht sowie das Städtebauförderungsgesetz (StBauFG in der Fassung von 1976) zu nennen, welches die Abschöpfung von Planungs- und Sanierungsgewinnen gestattet. Im Zuge der deutschen Einigung gewann die Bodenreform eine neue Dimension. Nach dem zweiten Weltkrieg hatten alle Besatzungsmächte Auflagen zur Bodenreform erteilt. In den westlichen Besatzungszonen wurden sie jedoch nur zögerlich und auch nur für rd. 1% der (landwirtschaftlichen) Wirtschaftsfläche, ferner gegen Entschädigung durchgeführt. Wesentlich schneller (ab September 1945) und rigoroser ging der Prozess in der sowjetischen Besatzungszone vonstatten: Der Grundbesitz von Kriegsverbrechern und aktiven Nationalsozialisten sowie der gesamte private Großgrundbesitz (über 100 ha) wurden entschädigungslos enteignet. Betroffen waren knapp 14 000 Betriebe bzw. 3,2 Mio. ha von insges. 9,5 Mio. ha der land- und forstwirtschaftlichen Nutzfläche. Rd. 50% der Flächen wurden unter der Parole »Junkerland in Bauernhand« zur Errichtung selbständiger Landwirtschaftsbetriebe genutzt, etwa 35% gingen in Volkseigenen Betrieben (VEB) auf, der Rest wurde zu Betriebsvergrößerungen und Arrondierungen genutzt. Zwischen 1952 und 1960 folgte der Bodernreform eine Phase der Kollektivierung mit Überführung von Privatbetrieben in Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG), wobei die Eigentumsrechte formell grundsätzlich unangetastet blieben, allerdings hinsichtlich der Verfügungsrechte zugunsten der LPG ausgehöhlt wurden. Im Jahr 1987 wurden 87% der landwirtschaftlichen Nutzflächen von LPG und 7,5% von VEB bewirtschaftet. Das Ergebnis waren Betriebsgrößen von durchschnittlich 600 ha (1955 ca. 8 ha) und die Verlockung zu extremen Spezialisierungen. Die entschädigungslosen Enteignungen im Bereich der Wirtschaft gingen ähnlich wie im Falle der Land- und Forstwirtschaft voran. Sie betrafen rd. 9 900 Unternehmen aus Industrie, Handel und Gewerbe. Daraus hervorgegangene volkseigene Betriebe und sonstige Wirtschaftseinheiten sind nach Maßgabe des von der DDR erlassenen Treuhandgesetzes ebenfalls grundsätzlich zurückzugeben bzw. zu privatisieren. Die DDR korrigierte die kommunistische Bodenreform durch das Gesetz über die Rechte der Eigentümer von Grundstücken aus der Bodenreform vom 6.3.1990, das Landwirtschaftsanpassungsgese1z  vom 29.6.1990 und das Treuhandgesetz vom 17.6.1990 (mit nach der deutschen Einigung fortgeltender Wirkung). Die Verfügungsbeschränkungen zugunsten der LPG wurden aufgehoben und die Wiederherstellung des unmittelbaren Besitzes an Vermögen, das in die LPG einzubringen gewesen war, ermöglicht. Das volkseigene Vermögen der VEB ist ebenfalls grundsätzlich zu privatisieren, allerdings mit gewissen Vorrechten der öffentlichen Hand. Der die Regelung von Vermögensfragen im vereinigten Deutschland beherrschende Grundsatz »Rückgabe vor Entschädigung« steht unter dem Vorbehalt, dass er sich von der Natur der Sache her überhaupt verwirklichen läßt und dass natürliche Personen nicht in redlicher Weise Eigentum an den fraglichen Gegenständen erworben haben. Wenn Grundstücke und Gebäude für dringende Investitionszwecke und insbes. zur Arbeitsplatzsicherung benötigt werden, kann die Rückgabe gesetzlich ausgeschlossen werden. Das Restitutionsprinzip hat eine besondere Variante: Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 23.4.1991 sind Bodenreform und Enteignungen, die zwischen 1945 und 1949 vor sich gingen, als Maßnahmen auf besatzungshoheitlicher Grundlage zu werten und damit verfassungsrechtlich bestandskräftig. Die im Einigungsvertrag vom 31.8.1990 enthaltene Festlegung, dass Enteignungen auf dieser Basis nicht mehr rückgängig zu machen sind, sah das Gericht nicht als Grundrechtsverletzung an; es hielt allerdings eine Ausgleichsregelung im Sinne des Gleichheitsgrundsatzes für unabdingbar. Der Europäische Gerichtshof hat Klagen gegen diese Rechtsauffassung angenommen. Literatur: Schreiber, F. (1969). v. Nell-Breuning,
0. (1959)

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