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Wirtschaftsethik

wird häufig als Sammel- bzw. Oberbegriff für nahezu alle normativen Fragestellungen, die sich im Kontext des Wirtschaftslebens stellen, verwandt. Normative Fragen des rechten Einzelverhaltens unter bestehenden Regeln werden neben Fragen der richtigen Wahl von Regeln behandelt, Fragen der Gestaltung der Wirtschaftsordnung als ganzer ebenso wie Fragen der Gestaltung von Unternehmen (vgl. dazu und zu der deutschen Sonderentwicklung eines diskursethischen Ansatzes Unternehmensethik). Gegenüber dieser weiteren Verwendung versteht man unter Wirtschaftsethik im engeren Sinne eine Theorie der rechten Gestaltung der Wirtschaftsordnung als ganzer bzw. bestimmter ihrer funktionalen Teilbereiche (wie z. B. Umweltrecht, Grundregeln des Sozialrechts). Die internationale Diskussion wird heute bestimmt von Theorien, die vom ökonomischen Rationalwahlmodell ausgehend Kriterien zu formulieren suchen, nach denen rationale Individuen ihre "konstitutionellen Präferenzen" bzw. eine Präferenzordnung über alternativen Wirtschaftsordnungen bilden würden. Zum einen sind hier von Kenneth J. Arrow ausgehende Ansätze zu nennen, die intuiv akzeptable Wertanforderungen an kollektive Entscheidungsverfahren axiomatisieren und auf normative Konsequenzen hin untersuchen. Die andere Hauptströmung geht vom Einzelentscheider aus, dem unterstellt wird, dass er ebenso wie der Wirtschaftsethiker das voraussichtliche Geschehen unter den Regeln mittels moderner entscheidungs-, vor allem spieltheoretischer Techniken analysiert. Durch die Annahme etwa, dass der rationale Entscheider die eigene Rolle unter dem zu wählenden Regelsystem nicht kennt, versucht man dann, die Wahl der grundlegenden Ordnungsregeln als Gegenstand einer verallgemeinerbaren zweckrationalen Individualentscheidung zu modellieren und insoweit die ökonomischen Analysetechniken für die Regelwahl selbst nutzbar zu machen. Dieses über ältere ordnungstheoretische Ansätze hinausreichende Element bildet einen gemeinsamen Ausgangspunkt ökonomischer und philosophischer Wirtschaftsethiker und dabei insb. der "neuen Vertragstheoretiker" unter ihnen.         Literatur: Binmore, K., Garne Theory and the Social Contract, in: Selten, R. (Hrsg.), Garne Equilibrium Models II, Berlin u. a. 1991, S. 85 ff. Kliemt, H., Ökonomik und Ethik, in: WiSt, 15. Jg. (1987), S. 113 ff. Schmidt, J., Gerechtigkeit, Wohlfahrt und Rationalität, Freiburg, München 1991.

befasst sich nach allgemeinem Verständnis mit der auf den Kultursachbereich Wirtschaft anzuwenden­den Ethik. Leitthema der Wirtschaftsethik ist, welches wirtschaftliche Handeln moralisch zu rechtferti­gen ist und welches nicht und wie das als „richtig” oder „gut” erkannte Handeln gefördert werden kann. Zur Kennzeichnung wie Abgrenzung hilfreich ist die Untergliederung der Wirtschaftsethik in   Ord­nungs-,   Unternehmens- und  Individualethik, der die Unterteilung in Makro-, Meso- und Mikro­ebene entspricht. Damit sind die Ebenen benannt, auf denen moralische Ansprüche in einer modernen Gesellschaft zur Geltung gebracht bzw. „verortet” werden können und jeweils andere Adressaten (moralische Akteure) für Beachtung bzw. Umsetzung von Normen und Werten verantwortlich zu machen sind. Moderne Wirtschaftsethik setzt primär auf   Institutionenethik, d.h. Gestaltung der marktwirtschaftli­chen Rahmenordnung wie der unternehmerischen Organisationsstrukturen und nicht auf die Moral des Einzelnen, die  Individualethik, um die Wirtschaftsakteure von moralischen Konflikten zu entlasten. Siehe   Unternehmensethik (mit Literaturangaben).

Literatur: Homann, K. / Blome-Drees, F., Wirtschafts- und Unternehmensethik, Göttingen 1992; Noll, B., Wirtschafts- und Unternehmensethik in der Marktwirtschaft, Stuttgart 2002; Suchanek, A., Ökonomische Ethik, Tübingen 2001.  

bezeichnet sowohl den materialen Gegenstand der Disziplin (Ethos oder Ethik in der Wirtschaft) wie auch die Disziplin selbst als normative und analytische Theorie dieses Ethos. Das materiale Objekt der Wirtschaftsethik bilden sowohl die in einer Volkswirtschaft und ihren Unternehmen vorherrschenden Sitten und Gebräuche (das Ethos), die Kultur und der Stil der Wirtschaft als auch die bewußten moralischen Normen des Wirtschaftens (Moralität oder Sittlichkeit). a) Ethische Ökonomik als Theorie der Kultur und Ethik der Wirtschaft: Die Theorie der Kultur und der Moralität der Wirtschaft wird durch eine Synthese von ethischer und ökonomischer Theorie geschaffen. Der Begriff Ethische Ökonomie zielt auf den positiv kulturwissenschaftlichen und den normativ moraltheoretischen Bestandteil des Ethos und der Ethik einer Wirtschaft. Die Wirtschaftskultur umfaßt die Wechselbeziehung zwischen den kulturellen Lebensordnungen und Daseinsdeutungen einer Gesellschaft einerseits und ihrer Wirtschaftsordnung, ihrem Wirtschaftsstil und ihren wirtschaftlichen Praxisformen andererseits. Der positive Teil der Ethischen Ökonomik ist Kulturwissenschaft und Kulturphilosophie. Er schließt die Hermeneutik als Methode und Praxis des Verstehens kulturellen Sinnhandelns und kultureller Institutionen und Gebräuche ein. Die Ethische Ökonomik als kulturelle Ökonomik stellt die Frage, wie wirtschaftliches Handeln in seiner Kulturbedeutung verstanden wird. Sie nimmt die Theorie des Verstehens auf, um sie auf die Wirtschaft anzuwenden, und ist zugleich Theorie der Wirtschaftsästhetik und der Gestaltung der nicht moralisch relevanten Unternehmenskultur. Die Wirtschaftsethik i.e.S. als Theorie der Wirtschaftsmoral umfaßt die Sollensordnung der Wirtschaft, nämlich die Normen des individuellen Wirtschaftshandelns sowie die Normen des sozialen Handelns und der sozioökonomischen Institutionen. Die Wirtschaftsethik als normative Lebensordnung und Deutung der Wirtschaft ist Gegenstand des normativen Teils der Ethischen Ökonomik. Die Ethische Ökonomik als Theorie der ethischen Regeln des Marktes steht zwischen der reinen ökonomischen Theorie und der Politischen Ökonomik, welche das staatliche Rahmenwerk der Marktwirtschaft und die rechtlichen und staatlichen Voraussetzungen von Markttausch zu verstehen sucht. Ethische und Politische Ökonomik erweitern die ökonomische Theorie der Marktwirtschaft, indem sie die ethischen bzw. politischen Rahmenbedingungen der Marktwirtschaft zur Darstellung bringen. Die Rolle der ethischen Normen moralischer und kultureller Art in der Wirtschaft besteht darin, das Marktgeschehen zu regulieren und - s Marktversagen abzuwehren, das durch unethische Praktiken zustande kommt. Wirtschaftsethik als Ethische Ökonomik zeigt, dass das mögliche Korrektiv für Marktversagen und die Alternative zur Marktkoordination deshalb nicht allein in der politischen Intervention und dem unmittelbaren Obergang zu staatlicher Allokation und Koordination zu sehen sind, weil die Gefahr besteht, dass sich das durch den Staat kompensierte Marktversagen in Politikversagen wiederholt. Die ethische Koordination ist vielmehr eine dritte Alternative und ein Mittel sowohl gegen Marktwie gegen Staatsversagen. b) Ethische und ökonomische Koordination: Ökonomik und Ethik werden beide vor die Frage gestellt, wie sich ihre Koordinationsziele und Koordinationsformen zueinander verhalten. Die Nötigung zur Integration ökonomischer und ethischer Fragestellungen ergibt sich aus der Natur der Sache, aus dem ihnen gemeinsamen Interesse an Rationalverhalten und optimaler gesellschaftlicher Koordination. Ethik ist ein Mittel, die Koordiniertheit der Gesellschaft und Wirtschaft durch eine Vorkoordination im Entscheidungsverhalten der Individuen zu steigern. Zu dieser Steigerung der ethisch-ökonomischen Koordination gehört auch der Einfluß, den die Ethik und ein hochentwickeltes Arbeitsethos auf dem Weg über die durch höheren Arbeitseinsatz steigenden Skalenerträge der volkswirtschaftlichen Produktion auf die Förderung des Wachstums und der Wohlfahrt einer Volkswirtschaft ausüben. Die Wirtschaftsethik beinhaltet auch die Frage nach den materialen Wertqualitäten, die Dinge für Konsumenten zu Gütern machen. Das formale Koordinationsproblem muss durch das materiale Problem der Bestimmung von Wertqualitäten ergänzt werden. Welche Wertqualitäten suchen wir in Wirtschaftsgütern? Was macht ethisch und kulturell den Wert einer Sache oder Dienstleistung aus? Die Wirtschaftsethik sucht über die bloße Konstatierung gegebener, im Nachfrageverhalten offenbarter Präferenzen hinauszugelangen zu einer ethisch-kulturellen Analyse und Kritik der Präferenzen und der Nachfrage, welche deren normativ wirtschaftsethischen und die positiv kulturwissenschaftlichen Bedingungsfaktoren untersuchen. Die Ethische Ökonomik bestimmt als positive, kulturwissenschaftliche Analyse den Einfluß, den der kulturelle Zwischenbau (Gustav SCHMOLLER) der ethisch-kulturellen Einstellungen und Sitten sowie die ethischen Normen einer Gesellschaft als Kausalfaktoren auf das Wirtschaftsverhalten ausüben. Die Integration der ethisch-kulturellen Wertaspekte in die ökonomischen Nutzenaspekte des menschlichen Handelns ist nicht ohne eine umfassende Hermeneutik der wirtschaftlichen Entscheidung möglich, weil die Erklärung und das Verstehen der sozialen Phänomene der Wirtschaft die kulturwissenschaftliche Fundierung der Wirtschaftswissenschaften (Max WEBER) in Ergänzung zur formalen und quantitativen ökonomischen Theorie zur Voraussetzung hat (Entscheidungstheorie). Die Wirtschaftswissenschaft ist auch deshalb Kulturwissenschaft, weil die Marktwirtschaft der Subjektivität der Nachfrage folgt und der spontanen Kulturbildung sowie dem freien Kulturwandel in besonderem Maße Raum läßt. In ihr wird die Struktur des Angebots und der Nachfrage durch die gesellschaftliche Kulturbildung bestimmt. Die kulturelle Entwicklung zu verstehen, die hinter den Verschiebungen der Nachfrage steht, ist daher für das unternehmerische Handeln in der Marktwirtschaft von großer Bedeutung und erfordert das Einüben in die Henneneutik der Kultur, in das Interpretieren jener Kulturentwicklungen, die wirtschaftlich relevant werden. Die positiv-analytische Theorie der Wirtschaftskultur ist Hermeneutik der wirtschaftlich-kulturellen Entwicklung, weil, wie es bereits die Historische und die Ethische Schule der Nationalökonomie im 19. Jh. wußte, die Ordnung der Nachfrage aus der Ordnung der kulturellen Lebensweise entspringt. c) Wirtschaftsethik als Teil der Wirtschaftsphilosophie: Die Bedeutung, die der bewußten Moral und den allg. geltenden Üblichkeiten sowie der Wirtschaftskultur in der privaten und staatlichen Wirtschaft und im Staat zukommt, und die Wiederentdeckung der Wirtschaftsethik als Ethischer Ökonomik zeigen, dass, wie es bereits die aristotelische praktische Philosophie formulierte, Ökonomie, Ethik und Politik nicht einander ausschließend und feindlich, sondern zueinander komplementär sind und dass ökonomische, ethische und politische Theorie zu einer Synthese gebracht werden müssen. Aber auch für die philosophische Grundlegung der allgemeinen Ethik ist die Synthese von ethischer und ökonomischer Theorie von Bedeutung, weil die Ethische Ökonomik ökonomische Effizienz- und Rationalitätskriterien in die Ethik einführt. So können die sinkenden ökonomischen Skalenerträge bei zunehmender Verallgemeinerung von Handlungen zu einer Verringerung des ethisch gebotenen Durchsetzungsgrades der Verallgemeinerung führen und die Effizienz ethischer Regelungen erhöhen. Die Wirtschaftsethik zeigt, dass Philosophie und Ökonomik in drei Sachgebieten aneinandergrenzen und sich überschneiden: Die Überschneidung der Ethik und Kulturtheorie als philosophischen Disziplinen mit der Ökonomik wurden mit der normativen und der positiven Ethischen Ökonomik bereits genannt. Das dritte Überschneidungsgebiet zwischen Philosophie und Ökonomik ist die Wirtschaftsontologie, die sich mit der Frage befaßt, welchem Seinsbereich die Wirtschaft zuzuordnen ist und was die allgemeinsten Modelle der freien Koordination von Menschen sind (etwa Mechanismus oder Organismus). Die aktuelle wirtschaftsethische Diskussion neigt dazu, die Schnittstellen zwischen Philosophie und Wirtschaftswissenschaft nur im Bereich der Ethik zu erkennen, die Wirtschaftsontologie und die Kulturwissenschaft der Wirtschaft jedoch auszuklammern. Dieses Vorgehen ist nicht zu rechtfertigen. Um die Analogie der Rechtsphilosophie heranzuziehen: So wie die Rechtsphilosophie nicht nur Rechtsethik und Naturrechtstheorie des Rechts ist, sondern ebenso Fragen der Rechtsontologie und juristischen Methodenlehre umfaßt, kann sich die Wirtschaftsphilosophie nicht nur auf die Wirtschaftsethik beschränken, sondern muss auch Fragen der Wirtschaftsontologie, der Wirtschaftskultur und der Methodenlehre der Wirtschaftswissenschaften enthalten. Die Wirtschaftsphilosophie als Wirtschaftsethik, Wirtschaftskultur und Wirtschaftsontologie bildet eine Disziplin, die neben der Rechts- und Staatsphilosophie, der Religionsphilosophie und der Philosophie der Kunst den vierten und in der Moderne besonders hervortretenden Kulturbereich der Wirtschaft zu ihrem Gegenstand hat. So wie die Rechtsphilosophie in selbstverständlicher Weise von der Rechtswissenschaft und der Philosophie behandelt wird, sollte auch die Wirtschaftsphilosophie sowohl im Rahmen der Wirtschaftswissenschaft als auch im Rahmen der Philosophie betrieben werden. Literatur: Buchanan, J.M. (1992). Koslowski, P. (1991). De George, R. (1990)

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