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Wissenschaftstheorie

Die Wissenschaftstheorie ist als Lehre von der Wissenschaft eine metawissenschaftliche Disziplin und macht sich die Wissenschaft zum Problem. Innerhalb der Wissenschaftstheorie lassen sich zwei verschiedene Forschungsstrategien unterscheiden, der externale und der internale Ansatz. Im Rahmen des externalen Ansatzes sind der Wissenschaftsprozeß und die wissenschaftlichen Institutionen bzw. die Wissenschaftsorganisaüon das Forschungsobjekt. Hier werden empirisch-theoretische Erklärungsversliche und technologische Analysen und / oder Normierungsversliche des Wissenschaftsprozesses und der Institution bzw. Organisation der Wissenschaft durchgeführt. Dabei bedient man sich der Ergebnisse anderer Fachdisziplinen (Soziologie, Psychologie usw.) ebenso wie der Ergebnisse der formalwissenschafth-chen Forschung (Logik, Mathematik), soweit sie für die realwissenschaftliche Durchdringung des Forschungsobjektes relevant sind. Der internale Ansatz in der Wissenschaftstheorie zielt auf die Produkte der Wissenschaft, die Aussagesysteme ab. Die Wissenschaftslogik als eine Teildisziplin der Wissenschaftstheorie beschäftigt sich mit der logischen Struktur wissenschaftlicher Aussagen im weitesten Sinne. Die Methodenlehre (Methodologie) befaßt sich mit den Grund legenden wissenschaftlichen Verfahrensweisen (generellen Forschungsmethoden). Sie versucht nicht nur, die Methodik realwissenschaftlicher Disziplinen (wie der Betriebswirtschaftslehre bspw.) zu beschreiben im Sinne von »zu rekonstruieren« und diese kritisch auf deren Adäquanz hin zu beurteilen, sondern versucht auch aufzuzeigen, wie die Forschungsmethoden allgemein bzw. in speziellen Fällen verbessert werden könnten. Das Problem der Wissen-Schaftsphilosophie schließlich als letzter internaler Teildisziplin sind die ontologischen bzw. erkenntnistheoretischen Bedingungen der Produktion wissenschaftlicher Aussagen. Die wissenschaftstheoretische Diskussion innerhalb der Betriebswirtschaftslehre wird gegenwärtig durch zwei kontroverse, übergreifende Konzeptionen gekennzeichnet, den kritischen Rationalismus (Kritizismus) und den Konstruktivismus (sog. »Erlanger Schule«), deren Charakte-ristika das folgende Schema wiedergibt.
Kritische Rationalisten vertreten die These eines konsequenten Fallibilis-mus (These von der prinzipiellen Fehlbarkeit der Vernunft) als Leitlinie nicht nur wissenschaftlichen Tuns. Jede Aussage, jede Problemlösung, jede Überzeugung (nicht nur im wissenschaftlichen Bereich!) ist nur als vorläufig und als ein möglicher Irrtum anzusehen. Damit fällt auch das methodologische Prinzip der Begründung als Leitidee und wird durch die Leitidee des systematischen Kritizismus, d. h. durch die Idee einer begründungsfreien Kritik ersetzt, womit das Problem der Erreichbarkeit und Entscheidbarkeit der Wahrheit entkoppelt und die Methode der Widerlegung und Elimination des Falschen als erkenntnisförderlich installiert wird. Die Konstruktivisten akzeptieren zwar Grundsätzlich die These von der prinzipiellen Fehlbarkeit der Vernunft, ziehen daraus jedoch andere Konsequenzen: Sie verfechten ein pragmatisches Wahrheitsmodell und glauben im Hinblick auf die Wahrheit »methodisch sichere« Entscheidungen treffen zu können. 1Konstruktivismus
Methodische Rationalität durch Begründung
Pragmatismus Methodischer Monismusbezug auf Sachaussagen und Normen
Methodischer Dualismus in bezug auf die Kultur-«nd Naturwissenschaften
Entnommen aus: Raffee/Abel (Hg.), » schaften«, 1979, s. 4.
Kritischer Rationalismus
Konsequenter Fallibilismus Methodische Rationalität durch begründungsfreie Kritik
Kritischer Realismus Kritischer Dualismus in bezug auf Sachaussagen und Normen Methodischer Monismus in bezug auf die KuJtur- und Naturwissenschaften
«theoretische Grund fragen der Wissenschaftstheorie
Da Konstruktivisten die Wahrheit sowohl von Sachaussagen wie von Normen (Werturteilen) in gleicher Weise durch einen qualifizierten Konsens entscheidbar halten, wobei als eine spezielle Begründungsmethode die »genetische Argumentation« mit dem Rekurs auf natürliche Bedürfnisse vertreten wird, wird so dem für den kritischen Rationalismus typischen kritischen Dualismus von Sachaussagen (Erkenntnis) und Normen ein methodischer Monismus entgegengesetzt. Im Hinblick auf die Kultur- und Naturwissenschaften vertreten Konstruktivisten die Auffassung, daß lediglich für die Naturwissenschaften ein deduktiv-nomologtsches Erklärungsmodell adäquat, hinsichtlich der Betriebswirtschaftslehre als Wirtschaftswissenschaft jedoch einzig ein hermeneutisches Erklärungsmodell angemessen sei.
Kritische Rationalisten vertreten dagegen einen kritischen Dualismus von Sachaussagen (Erkenntnissen) und Normen, d. h. halten für den Bereich der Normen wie auch für den Bereich der Erkenntnis unterschiedliche Wahrheitsbegriffe für adäquat. Im Hinblick auf Sachaussagen wird ein kritischer Realismus verfochten, der davon ausgeht, daß Realität objektiv existiere und zumindest annähernd erkennbar sei und dies zu entdecken Aufgabe der wissenschaftlichen Erkenntnis sei, wobei objektive Gewißheit über das Vorliegen der Wahrheit nie erreicht werden könne. Im Hinblick auf die Normen und die Sinnhaftigkeit einer normativen Wissenschaft (Wertlehre) sind die kritischen Rationalisten der Auffassung, daß die Formulierung von Nonnen Grundsätzlich als fallibel und damit
als vorläufig und revidierbar anzusehen und zu halten ist bzw. Normen mit Hilfe meta-ethischer Kriterien zu überprüfen und zu kritisieren sind. Charakteristisch für die kritizistische Auffassung ist weiterhin, daß ein im Prinzip gleiches deduktiv-nomologi-sches Modell der Erklärung sowohl für die Kulturwie auch für die Naturwissenschaften als adäquat angesehen wird. Eine normative Betriebswirtschaftslehre wird als unnötig angesehen.
Konstruktivisten plädieren für eine normative Betriebswirtschaftslehre, während kritische Rationalisten die Vorzüge einer werturteilsfrei formulierten Wissenschaft bezüglich des Erkenntnisfortschritts betonen. Im Hinbück auf das Postulat der Werturteilsfreiheit treffen sich die Auffassungen der Konstruktivisten mit jenen der kritischen Theorie (der sog. »Frankfurter Schule«), da die Lehre vom herrschaftsfreien (idealen) Diskurs eine der Grund legenden Voraussetzungen für vernünftiges Diskutieren bzw. einen vernünftigen Konsens in beiden Konzeptionen bildet. Die folgenden Voraussetzungen eines herrschaftsfreien Diskurs bzw. eines dem Vernunftsprinzip der Konstruktivisten folgenden zwanglosen Mit-einanderredens ohne Ansehen der Person und ohne Auszeichnung von Autoritäten im Sinne einer Transzen-dierung der Subjektivität (Transsubjektivität),
Betroffenheit der Beteiligten
Einstimmigkeit der Beschlüsse
Chancengleichheit der Beteiligten
Zwanglosigkeit der Kommunikation
Vollständigkeit der Information
Kompetenz der Beteiligten7. Unvoreingenommenheit der Beteiligten werden von kritischen Rationalisten unter Hinweis auf die Ergebnisse der Organisationstheorie, der Aktionsforschung usw., als praktisch wahrscheinlich nicht realisierbar, weil kontrafaktisch kritisiert, wenngleich vernünftiges machtfreies Diskutieren als Ideal anerkannt wird.

Teilbereich der Erkenntnistheorie, dessen Objekt die verschiedenen Einzelwissenschaften (Mathematik, Biologie, Chemie, Soziologie, Betriebs- und Volkswirtschaftslehre usw.) sind. Besondere Bedeutung kommt der Zielsetzung wissenschaftlichen Bemühens, den im Zusammenhang mit der Erkenntnisgewinnung verwendeten Methoden und den damit erzielten Ergebnissen (Hypothesen, Gesetzesaussagen, Theorien, Modelle usw.) zu. Die Wissenschaftstheorie ist insofern eine Metadisziplin. (Häufig werden die Begriffe Wissenschaftstheorie und Methodologie synonym verwendet. Letztere erscheint als Teilbereich der ersteren, wenn man den Gegenstand der Methodologie auf Methodenfragen im Sinn von Forschungstechniken beschränkt.) Wissenschaftstheoretische Erörterungen waren zunächst der Philosophie vorbehalten. Als sich die Einzelwissenschaften zu verselbständigen begannen, spielten sie zunehmend auch dort eine Rolle. Im Zusammenhang damit kam es zur Entwicklung eigenständiger wissenschaftstheoretischer Entwürfe. Anlass dazu waren — mitunter allerdings nur vermeintliche — Probleme, für die es in anderen Disziplinen kein Äquivalent gab oder zu geben schien. Dabei kam (und kommt) insb. der Unterscheidung zwischen Natur- und Kulturwissenschaften Bedeutung zu (siehe auch: Hermeneutik, Konstruktivismus). In den Wirtschaftswissenschaften, vor allem in der Betriebswirtschaftslehre, wurde die Autonomie mit Hinweisen auf sog. Identitätsprinzipien zu begründen versucht. Bereits diese wenigen Hinweise zeigen, dass es gegenwärtig keine einheitliche, allseits akzeptierte Wissenschaftstheorie gibt. Darüber hinaus erscheint es zweifelhaft, ob dies je der Fall sein wird; denn wie in jeder anderen lebendigen Wissenschaft ist auch hier stets mit kontroversen Standpunkten zu rechnen. Bei der Erörterung wissenschaftstheoretischer Fragestellungen empfiehlt es sich, bei den möglichen Zielsetzungen von Wissenschaft, insb. der Realwissenschaft, anzusetzen. Allerdings macht sich bereits hier der fehlende Konsens bemerkbar: Wer den Zweck der Wissenschaft unter rein pragmatischen Aspekten sieht, wird davon primär die Gewinnung von —Prognosen oder Hinweisen auf konkrete Lösungen von Gestaltungsproblemen erwarten (—Gestaltungsinteresse). Anhängern des Konstruktivismus geht es vorrangig um die Begründung von Empfehlungen für die Praxis. Für Formalisten steht die Formalisierung wissenschaftlicher Aussagen mit dem Ziel der Axiomatisierung im Vordergrund. Empiristen werden sich für das Sammeln von Erfahrungstatsachen stark machen. Vertreter eines —kritischen Rationalismus pflegen die Bedeutung des Erkenntnisfortschritts und die in diesem Zusammenhang wichtige Idee der Annäherung an die Wahrheit zu betonen. Die Liste möglicher Ziele der Wissenschaft liesse sich noch beträchtlich erweitern. Aus unterschiedlichen Zielsetzungen ergeben sich Konsequenzen im Hinblick auf die eingesetzten Methoden und die damit erreichbaren Ergebnisse. Anhänger eines Methodendualismus plädieren für eine eigenständige kulturwissenschaftliche Vorgehensweise. Sie verweisen dabei insb. auf die —verstehende Methode. Dagegen sind Vertreter eines Methodenmonismus der Ansicht, dass auch in den Kultur- bzw. Sozialwissenschaften die in naturwissenschaftlichen Bereichen (Physik, Chemie, Biologie usw.) so erfolgreiche Suche nach Erklärungen eine verfolgenswerte Strategie darstellt. Sie gehen insofern von einer einheitlichen realwissenschaftlichen Methode aus, allerdings ohne zu übersehen, dass in den Sozialwissenschaften, teilweise andere Forschungsmethoden (Interview, teilnehmende Beobachtung, Aktionsforschung usw.) zur Anwendung kommen müssen. Innerhalb der analytischen Wissenschaftstheorie spielt die Frage der Theoriebildung und Theorieverwendung eine herausgehobene Rolle. Dabei standen zunächst statische Aspekte (strukturelle Merkmale von Theorien und deren verschiedene Verwendungsmöglichkeiten) im Vordergrund. In jüngerer Zeit ist eine Verschiebung des Interesses zu den dynamischen Aspekten (Entstehung und Weiterentwicklung von Theorien) feststellbar. Ferner hat sich die Diskussion weg von isolierten Theorien hin zu ganzen — Paradigmen bzw. Wissenschaftsprogrammen mit den für sie typischen Leitideen verlagert (Heuristik, Wissenschaftsprogramme der Betriebswirtschaftslehre).                Literatur: Albert, H., Wissenschaftstheorie, in: HWB, 4. Aufl., Stuttgart 1976, Sp. 4674ff. Feyerabend, P. K., Wissenschaftstheorie, in: Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, Göttingen 1965, S. 331ff.  

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